Keine Anfechtung bei „schlüssigem“ Sanierungskonzept

Es kommt vor, dass Ihr Haus von einem guten Kunden um Forderungserlaß ersucht wird, meist kombiniert mit Raten- oder Teilzahlungen. In diese Planung sind häufig auch andere Gläubiger mit einbezogen (sog. „Moratorium“). Ab diesem Zeitpunkt haben Sie zweifellos positive Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit Ihres Kunden. Ab diesem Zeitpunkt müssen Sie sehr vorsichtig zu Wege gehen, und zwar sowohl wegen Ratenzahlungen auf Alt-Forderungen als auch wegen der Zahlungen auf laufende Fälligkeiten. In dieser Situation kommt dem Sanierungskonzept eine tragende Rolle zu, die ich Ihnen kurz vorstellen möchte:

Worum geht es?

Bei der Anfechtung, insbesondere der gefährlichen 4 – 10-Jahres-Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO kommt es darauf an, ob der Schuldner durch die Zahlungen an Sie andere Gläubiger schädigen wollte (oder die Schädigung zumindest mit Billigung in Kauf genommen hatte), und ob Sie das auch erkannt hatten.

Die entscheidende Frage lautet deshalb: „Reicht das Sanierungskonzept Ihres Kunden aus, damit Sie vor einer späteren Anfechtung der vereinbarten  (Teil-)Zahlungen sicher sein können?“ Diese Frage stellt sich jedes Mal, wenn Sie entscheiden müssen, ob Sie eine Sanierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens begleiten und Ratenzahlungen und (Teil-)Erlassen zustimmen wollen oder nicht.

Benachteiligungsvorsatz des Schuldners

Der Schuldner durfte bei Zahlung auf keinen Fall eine Benachteiligung anderer – auch späterer – Gläubiger in Kauf genommen haben. Der BGH unterstellt einem Schuldner in der Krise allerdings STETS Benachteiligungsvorsatz. Dafür muss der Insolvenzverwalter nicht einmal etwas vortragen. Eine Zahlung im Zustand der Liquiditätsunterdeckung reicht dem BGH für diese Annahme aus. Er tut sich sehr schwer mit der Annahme, dass ein Schuldner im Einzelfall kein Problembewusstsein gehabt haben oder schlicht den Überblick verloren gehabt haben könnte. Statt – wie in § 133 Abs. 1 InsO verlangt – Vorsatz zu ermitteln, läßt der BGH den Fahrlässigkeitsvorwurf des § 64 GmbHG genügen („der GF hätte sich aus der Buchhaltung informieren müssen“). DAs ist zwar falsch, läßt sich aber niciht ändern. Dementsprechend sind seine Anforderungen an einen Gegenvortrag, warum der Schuldner ausnahmsweise einmal keinen Benachteiligungsvorsatz gehabt haben könnte, hoch.

Ein Schuldner könnte ausnahmsweise einmal KEINEN Benachteiligungsvorsatz gehabt haben, wenn er einen ernsthaften Sanierungsversuch unternimmt, so der BGH.

Aber wann genügt ein solcher Sanierungsversuch den (selbst aufgestellten) Anforderungen des BGH? Der BGH war in diesem Punkt bis dato nicht sehr klar. Die Aussage, dass das Sanierungskonzept nicht zwingend den IDW S6-Standard erreichen müsse (BGH, Urt. v. 12.05.2016), ist nicht hilfreich und stimmt – wie man inzwischen vermuten muss – so auch gar nicht. Denn der BGH führt weiter aus, das Sanierungskonzept müsse

  • schlüssig sein,
  • von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgehen,
  • eine begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertigen, und vor allem
  • zumindest in den Anfängen bereits in die Tat umgesetzt sein.

Allerdings stecken hinter diesen Anforderungen höchst qualifizierte Feststellungen und Berechnungen, die eben doch eine Aufarbeitung nach dem IDW S6-Standard erfordern, um überzeugend zu sein. Schließlich muss hier wie dort alles schlüssig dokumentiert sein, um vor Gericht Stand zu halten.

In einem neueren Urteil vom 14.06.2018 wird der BGH etwas deutlicher: Das Sanierungskonzept muss Aussagen enthalten über

  • die Art und Höhe der Verbindlichkeiten und
  • die Art und Zahl der Gläubiger.

Außerdem müsse

  • die zur Sanierung erforderliche Quote der Forderungserlasse festgestellt werden.

Da regelmäßig nicht alle Gläubiger verzichten, müsse darüber hinaus

  • eine Zustimmungsquote nach Schuldenstand festgelegt werden, ggfls.
  • differenziert nach Gläubigergruppen.

Allein die Feststellung der „zur Sanierung erforderlichen Quote der Forderungserlasse“ setzt voraus, dass zum einen

  • die Verbindlichkeiten korrekt erfasst werden,

aber neben den Verbindlichkeiten eben auch

  • die zur Verfügung stehende Liquidität

korrekt erfasst wird. Im Liquidationsfall ist das relativ einfach, hier sind zusätzlich nur die anstehenden Liquidationskosten zu erfassen. Soll das Unternehmen aber fortgeführt werden, so kommt man um die Erfassung auch der laufenden Kosten und Einnahmen für einen gewissen Zeitraum  nicht herum. Das bedeutet, dass man für den gesamten Sanierungszeitraum eine sog. „prospektive Finanzflussrechnung“ aufstellen muss, weil die Sanierung sonst nicht nachhaltig dargestellt wird, und künftige Gläubiger eben doch geschädigt werden könnten.

In diesem Fall wären übrigens auch Bargeschäfte anfechtbar, u.U. auch Vorkasse-Geschäfte, weil der Ankauf von Waren für das Schuldnerunternehmen nicht nützlich war (und der Lieferant das ggfls. auch wußte).

Das Sanierungskonzept ist also nur dann ein Gegen-Indiz gegen den Benachteiligungsvorsatz des Schuldner-GF, wenn es tatsächlich die Vollerledigung der Alt-Verbindlichkeiten erreicht und gleichzeitig eine ausreichende Liquidität für eine Geschäftsfortführung ausweist.

Dabei ist besonders spannend, wie der BGH mit Umsatzprognosen umgehen würde, von denen jede Liquiditätsplanung bekanntlich ausgehen muss, und ob er sie als „tatsächliche Gegebenheiten“ anerkennen wird. Gerade Umsatzprognosen sind ja bekanntlich in gewisser Weise spekulativ („besonders, sofern sie sich auf die Zukunft beziehen“). Sie müssen deshalb, um die tatsächlichen Gegebenheiten wieder zu spiegeln, auf einer – zumindest kursorischen – (Absatz-)Marktanalyse beruhen.

Die Quotenermittlung erfordert also schon wegen der dazu notwendigen Liquiditätsermittlung eine Analyse der absatzmarktwirtschaftlichen, produktwirtschaftlichen und finanzwirtschaftlichen Situation, mit sämtlichen arbeitsrechtlichen Zusatzkosten für allfälligen Personalabbau. Also doch IDW S6.

Die Kosten für eine solche Planung sind bekanntlich exorbitant hoch.

Bleibt der Schuldner hinter diesen Anforderungen zurück, so bleibt eine Schädigung künftiger Gläubiger immer noch möglich. Ist ihm das auch bewusst, dann hat es mit der Vermutung seines Schädigungsvorsatzes durch die Gerichte sein Bewenden.

Kenntnis des Gläubigers

Die zweite Voraussetzung der Vorsatzanfechtung ist, dass der Gläubiger vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners auch Kenntnis hatte. Angestrengtes Wegsehen hilft dabei nicht.

Der BGH unterstellt diese Kenntnis, sobald Ratenzahlungen nachgefragt werden, die auf einem Mangel an liquiden Zahlungsmitteln beruhen. Der Gesetzgeber hat in dem Anfechtungsreformgesetz von 2017 versucht, diese Vermutung aufzuheben, aber ob der BGH sich dadurch von seiner Vermutungsregel abhalten läßt erscheint mir sehr fraglich. D.h. der Gläubiger muss sich entlasten, also Gegenindizien vortragen. Ein schlüssiges Sanierungskonzept, das den o.a. Kriterien genügt, wäre ein solches Gegenindiz. Allerdings verlangt der BGH in seinem neueren Urteil, dass der Gläubiger der Ratenzahlung auf Basis und daher in Kenntnis des Sanierungskonzeptes zugestimmt hatte. Das ist insofern unsinnig, als es auf Kenntnis des Gläubigers nicht mehr ankommt, wenn der Schuldner-GF tatsächlich ein solches Konzept für sich aufgestellt und danach gehandelt hatte. Denn dann hatte der Schuldner-GF schon gar keinen Benachteiligungsvorsatz. Und von einem nicht existierenden Vorsatz kann der Gläubiger keine Kenntnis erlangen. Die Prüfung endet dann schon beim Benachteiligungsvorsatz des Schuldners. Kurz gesagt: Wo kein Vorsatz beim Schuldner, da keine Anfechtung beim Gläubiger.

Andererseits bedarf es eines sehr guten Kontaktes zum Schuldner-GF, um an solche Informationen zu gelangen, wenn diese dem Gläubiger bei Abschluss der Ratenzahlungsvereinbarung nicht vorgelegt wurden.

Beweislasten

Den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners muss der Insolvenzverwalter beweisen. Allerdings hilft der BGH dem Insolvenzverwalter insoweit großzügig mit Erfahrungssätzen, Indizien und Vermutungen. Dies ist zivilprozessual kritikwürdig, lässt sich aber nicht ändern.

Faktisch obliegt es also dem Gläubiger vorzutragen, dass der Schuldner-GF tatsächlich mit Gläubigergleichbehandlungswillen gehandelt hatte, etwa weil er ein Sanierungskonzept vorgelegt hatte. Dabei ist es sicherlich hilfreich, wenn dieses Konzept schlüssig war, wenn also die Höhe sämtlicher Zahlungen mit der Höhe der verfügbaren Liquidität übereinstimmte und die Verbindlichkeiten anschließend mit einer roten Null ausgewiesen werden. Ob die dahinter stehenden Erhebungen korrekt und vollständig waren, muss der Gläubiger nicht nachprüfen (offensichtliche Fehler vorbehalten). Der angreifende Insolvenzverwalter mag sodann im Wege der sekundären Darlegungs- und Beweislast darlegen und beweisen, dass sie tatsächlich falsch bzw. unvollständig waren, und der Gläubiger das auch wußte. Bei Ersterem hilft ihm sicherlich der Umstand, dass das Konzept nicht aufgegangen war, denn sonst wäre er nicht bestellt worden. Wenn die Fehler aber für den Gläubiger nicht offensichtlich waren, wird man sicher davon ausgehen müssen, dass der Gläubiger bei Entgegennahme der Zahlungen – zumindest bis zu einem bestimmten Zeitpunkt – wegen des Benachteiligungsvorsatzes des Schuldner-GF gutgläubig war.

 

Sonstige Verteidigungsmöglichkeiten

Selbstverständlich haben Gläubiger auch außerhalb eines Sanierungskonzepts geeignete Verteidigungsmöglichkeiten gegen die Anfechtung. Der verteidigende Anwalt hat dabei vornehmlich die Aufgabe, die Beweiskraft von Indizien, die für eine Kenntnis sprechen, im Prozess durch Gegenindizien zu entkräften. Die (entlastenden) Gegenindizien sollten die Beweiskraft von (belastenden) Indizien so stark abschwächen, dass die volle Beweislast des Insolvenzverwalters wieder auflebt. Dieser  muss dann mit den 3 einzig zulässigen Beweismitteln (Zeugen, Urkunden, Sachverständigengutachten) den Vollbeweis antreten, dass der Gläubiger positive Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldner-GF hatte. Im Idealfall kommt es zu einer Beweisnot des Verwalters („non-liquet“) und aufgrund dessen zu einer Klageabweisung.

Die Kanzlei BRENNER hat im Laufe der Jahre in Zusammenarbeit mit ihren Mandanten eine Reihe von entlastenden Gegen-Indizien erarbeitet, die im Einzelfall gegen eine Kenntnis der Gläubiger sprachen. Sie sind derzeit Gegenstand der Rechtsprechung.

 

Klage gegen Geschäftsführer abgewehrt – Kanzlei BRENNER vertritt Geschäftsführer im Rahmen einer Klage nach § 64 GmbHG.

Das LG Darmstadt – KfH – hat die Klage eines Insolvenzverwalters gegen den Geschäftsführer eines großen Druckereibetriebes in der Nähe von Offenbach wegen Insolvenzverschleppungshaftung nach § 64 GmbHG vollumfänglich abgewiesen. Da der Insolvenzverwalter die gesamte EDV-hardware verkauft und vor dem Verkauf weder Sicherungskopien gezogen noch die Festplatten ausgebaut und sichergestellt hatte, konnte der Geschäftsführer die Beweisführung für seine Verteidigung nicht erbringen.

Kanzlei BRENNER hatte zur Entlastung des Geschäftsführers korrekt und vollständig vorgetragen und Beweis angeboten. Die Kammer war der Ansicht, dass sich wegen der Vernichtung der Beweismittel die Beweislast zu Lasten des Insolvenzverwalters umgekehrt hatte. Da dieser – naturgemäß – ebenfalls keinen (Gegen-)Beweis antreten konnte, sahen die Richter es deshalb nicht als erwiesen an, dass die GmbH in dem streitgegenständlichen Zeitraum tatsächlich zahlungsunfähig war. Sie sahen es dagegen als erwiesen an, dass der Geschäftsführer die Aktivmasse im streitgegenständlichen Zeitraum durch die Fortführung des Betriebes im Vergleich zum Stichtag der angeblichen Antragspflicht vermehrt und auch den Verkaufswert des Unternehmens erheblich gesteigert hatte.

Die entsprechenden Daten konnten dem Eröffnungsgutachten des Insolvenzverwalters sowie den späteren Sachstandsberichten entnommen werden. Ob die einzelnen Zahlungsausgänge dafür kausal waren, unterlag der Beweislastumkehr und musste damit – zu Lasten des Klägers – offen bleiben.

Der Kläger hat Berufung eingelegt.

(LG Darmstadt, Az. 15 O 39/17, Urt. v. 28.05.2018)
(AG Offenbach, 8 IN 485/12)

Razzia bei AOK wegen Abrechnungsbetrug

Deutsches Ärzteblatt, Donnerstag, 16. November 2017

„Düsseldorf – Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat wegen des Verdachts auf Abrechnungsbetrug zulasten des Gesundheitsfonds Büros der AOK Rheinland/Hamburg durchsucht. „Die Durchsuchungen haben am 27. September 2017 in Hamburg und Düsseldorf stattgefunden“, sagte Oberstaatsanwältin Nana Frombach der Rheinischen Post vom Donnerstag. „Hierbei wurden insgesamt 86 Kartons Beweismittel sichergestellt, die nun ausgewertet werden müssen.”

Bei den Ermittlungen geht es der Zeitung zufolge um das Codieren von ärztlichen Diagnosen bei Abrechnungen. Laut Frombach soll es zunehmende Bestrebungen der Krankenkassen gegeben haben, unter anderem über Betreuungsstrukturverträge mit den Kassenärztlichen Vereinigungen, Ärzte dazu zu bewegen, so zu codieren, dass die Krankenkassen möglichst viel Geld aus dem Risiko­struk­tur­aus­gleich erhalten. „In diesem Zusammenhang prüfen wir mögliche betrugsrelevante Täuschungshandlungen durch Verantwortliche der AOK Rheinland/Hamburg.”

AOK weist Vorwurf von Abrechnungsbetrug zurück

Die AOK bestätigte der RP zufolge die Durchsuchungen, wies aber alle Vorwürfe zurück. „Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat am 27. September 2017 die Geschäfts­räume der AOK Rheinland/Hamburg in Düsseldorf und Hamburg aufgesucht, die AOK Rheinland/Hamburg unterstützt die Staatsanwaltschaft bei der Aufklärung des sozialversicherungsrechtlichen Sachverhalts – sie weist jedoch jeglichen strafrechtlichen Vorwurf entschieden zurück“, teilte die Kasse der Zeitung mit.“

© afp/aerzteblatt.de

Ärzte und Krankenkassen: Extravergütung für Codierleistung sind verboten! Erste Ermittlungen bei AOK

Schon wieder stehen Ärzte unter Betrugsverdacht. Diesmal geht die Anstiftung aber von den Krankenkassen aus. Worum geht’s?

Es geht um die Einnahmenseite der gesetzlichen und der Ersatzkassen und zwar um die Teilhabe einzelner Kassen an den Gesundheitsfonds. Dieser Fonds wurde zusammen mit dem Risikostrukturausgleich geschaffen, der diejenigen Krankenkassen begünstigen soll, die gesetzlich verpflichtet sind, ALLE Bürgerinnen un Bürger aufzunehmen, insbesondere die 0-Beitragszahler. Davon haben die AOK’s traditionell besonders viele, die traditionell auch besonders krank sind, also teuer. Demgegenüber haben Krankenkassen wie die Techniker Krankenkasse traditionell eine gut verdienende Klientel, erhält also höhere Beiträge pro Mitglied. Darüber hinaus ist diese Klientel auch weniger krank. Das Risiko musste daher unter den gesetzlichen und den Ersatzkassen ausgeglichen werden. Es gibt also – wie beim Länderfinanzausgleich – Nehmer- und Geberkassen. Geber-Kassen wie die Techniker Krankenasse haben früher Betiräge zurück erstattet – Sie erinnern sich. Dieses Geld geht jetzt in den Gesundheitsfonds und fließt im Rahmen des Risikostrukturausgleichs den Nehmer-Kassen zu.

Die Berechnungsgrundlage für den Ausgleich sind die Abrechnungs-Codes der Ärzte (DRG’s). Damit werden die Diagnosen kodifiziert, um die Abrechnung zu erleichtern und transparenter und überprüfbarer zu machen. Die DRG’s kodifizieren neben der Diagnose gleichzeitig auch den Behandlungsumfang und die Vergütung für den Arzt. Für die Kassen heißt das: Je teurer die Behandlung, desto höher der Risikostrukturausgleich zu Gunsten der betroffenen Krankenkasse.

Das weckte offenbar Begehrlichkeiten: Die Nehmer-Kassen waren plötzlich daran interessiert, dass die Ärzte schwerere Erkrankungen diagnostizieren. Teurer wird die Behandlung für die Kassen dadurch nicht, denn jede Kasse zahlt pro Quartal lediglich ein Fixum an die KV’en (Kassenärztlichen Vereinigungen) zur Verteilung an die Kassenärzte. Dieses Fixum wird auf Basis der Grundlohnsumme berechnet. Es bleibt daher trotz einer teureren Behandlung einzelner Patienten für die Kassen gleich.

Der Arzt wiederum bekommt seine Vergütung aus dem Fixum von der KV zugewiesen, je nachdem, wie viele Scheine er einreicht.

Einige Kassen haben jetzt offensichtlich Verträge mit niedergelassenen Ärzten abgeschlossen, in denen die Ärzte eine Extravergütung dafür erhalten sollen, dass sie ein schwereres Krankheitsbild diagnostizieren. Die Krankenkassen können dadurch einen höheren Anteil am Risikostrukturausgleich erhalten, ohne für teurere Patienten mehr einzahlen zu müssen.

Eine Win-Win-Situation – nur leider illegal! Deshalb ermittelt die Staatsanwaltschaft Hamburg jetzt gegen die AOK Rheinland/Hamburg. Eine erste Durchsuchung fand bereits statt. (siehe gesonderter Bericht!)

Für die Ärzte bedeutet dies möglicherweise eine Beihilfe zum Betrug! Ärzte die einen solchen Vertrag mit der AOK Rheinland/Hamburg abgeschlossen haben, sollten sich deshalb unbedingt jetzt beraten lassen: Evtl. kommt noch ein Rücktritt vom Versuch in Betracht.

Das Bundsversicherungsamt als Aufsichtsbehörde über die Krankenkassen hat die KV’en, also die Vertragspartner der Krankenkassen (!) jedenfalls bereits im Juni 2017 angeschrieben und vor dieser illegalen Praxis gewarnt.

Hier ist der Bericht:

Deutsches Ärzteblatt, Dienstag, 13. Juni 2017

https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/76308/BVA-mahnt-Aerzte-Extraverguetung-fuer-Codierleistung-sind-verboten

Bonn – Krankenkassen dürfen Ärzte nicht zusätzlich zur normalen Vergütung finan­zielle Anreize bieten. Dies läuft dem Willen des Gesetzgebers zuwider. Das hat das Bundesversicherungsamt (BVA) als Aufsicht der bundesunmittelba-ren Krankenkassen und verantwortliche Oberbehörde des Risiko­struk­tur­aus­gleichs (RSA) in einem Brief an alle Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) und die Kassenärztliche Bundesvereini­gung (KBV) unmissverständlich klargestellt.

Hintergrund ist ein anhaltender Streit um den RSA. Zuletzt standen die Krankenkassen in der Kritik, unter anderem über Betreuungsstrukturverträge mit den KVen, Ärzte dazu zu bewegen, so zu codieren, dass die Krankenkassen möglichst viel Geld aus dem RSA erhalten. Der Gesetzgeber hatte daraufhin im Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz (HHVG) Regelungen geschaffen, die Manipulationsmöglichkeiten im RSA zu reduzieren.

BVA-Chef Frank Plate scheint aber nicht überzeugt, dass Krankenkassen und KVen die Gesetzesänderung gebührend zur Kenntnis genommen haben. Anfang Mai richtete er sich an die Kassen-Chefs mit einem Appell. „Jede Krankenkasse ist mitverantwortlich für das Erscheinungsbild der GKV und für das Vertrauen der Versicherten in das Versor­gungssystem. Ich erwarte von den Krankenkassen, dass sie sich dieser besonderen Verantwortung bewusst sind und der rechtskonformen Erhebung und Meldung der für den Risiko­struk­tur­aus­gleich (RSA) maßgeblichen Daten die größtmögliche Bedeutung beimessen“, mahnte er in einem Brief an die Kassen.

Ärztliches Handeln am Wohl der Patienten ausrichten

Nun hat sich Plate auch an die Vertragspartner der Krankenkassen – die KVen – gewendet. In dem Brief weist er mit Nachdruck auf die aktuelle Gesetzeslage hin. Der Gesetzgeber stelle in seiner Begründung zum HHVG klar, dass ein „vertragsärztliches Fehlverhalten“ gegeben sei, wenn Vertragsärzte allein für die Vergabe und Dokumen­tation von Diagnosen eine zusätzliche Vergütung (ergänzend zur regulären Vergü­tung) oder sonstige wirtschaftliche Vorteile sich versprechen oder sich gewähren lassen oder selbst versprechen oder gewähren, schreibt Plate. Das ärztliche Handeln sei am Wohl der Patienten auszurichten. Insbesondere dürften Ärzte keine eigenen wirtschaftlichen Interessen oder das Interesse Dritter über dieses Wohl stellen. Zusätzliche Vergütungen für Diagnosen seien „ausgeschlossen und laufen dem Willen des Gesetzgebers zuwider“.

54 Verträge der Krankenkassen auffällig

Dem BVA zufolge hat die Behörde bereits flä­chendeckend entsprechende Verein­barungen geprüft. Verträge, die Vergütungen allein für die Vergabe von Diagnose­schlüsseln vorsehen und diesen eine konkrete ärztliche Leistung nicht gegenübersteht, seien „aufgegriffen worden“, heißt es. BVA-Sprecher Tobias Schmidt erklärte auf Anfrage des Deutschen Ärzteblattes, die betroffenen Krankenkassen seien in einem ersten Schritt aufgefordert worden, rechtswidrige Passagen in den Verträgen anzupassen oder die Verträge zu kündigen. 54 Verträge der Krankenkassen waren laut BVA auffällig.

Ein Großteil der Krankenkassen habe bereits eine zeitnahe Vertragsanpassung oder -umgestaltung zugesichert, erklärte Schmidt. Allerdings seien dem BVA bis dato noch keine angepassten Betreuungsstrukturverträge zur Prüfung vorgelegt worden. „In einigen Fällen haben Krankenkassen die Kündigung der Verträge zugesagt“, sagte der Sprecher der Behörde. Sofern die Krankenkassen eine rechtskonforme Vertrags­anpassung nicht leisten könnten oder wollten, will das BVA gegebenenfalls mit formellen Aufsichtsmittel eine zeitnahe Kündigung der Verträge bei den Kranken­kassen einfordern, erklärte er weiter.

Kassen dürfen Ärzte nur in gesetzlich geregelten Fällen beraten

Solche deutlichen Worte finden sich nicht in dem Brief des BVA an die KVen. Eine unterschwellige Mahnung, ist aber auch darin nicht zu überhören. „Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass Krankenkassen nur in den gesetzlich geregelten Fällen Vertragsärzte beraten dürfen“, wendet sich Plate direkt an die KV-Vorstände. Es gehört nicht zu den gesetzlich vorgeschriebenen oder zugelassenen Aufgaben der Krankenkassen, Vertragsärzte im Hinblick auf Vergabe und Doku­mentation der Diagnosen zu beraten. Unzulässig sei auch eine beratende Beeinflussung des Kodierverhaltens über den Einsatz von Praxissoftware.

Plate räumte zwar ein, Kassen dürften in erforderlichen Fällen über Fragen der Wirtschaftlichkeit beraten. „Diese Beratung darf sich jedoch nicht auf den Einzelfall der Vergabe von Diagnosen beziehen. In sol­chen Fällen sieht der Gesetzgeber die Gefahr einer Beeinflussung der Kodierung und damit des RSA“, erläuterte der BVA-Chef. Er ergänzte, dass auch für die Abrechnung der ambulanten ärztlichen Leistungen eine erneute Übermittlung von Diagnosedaten in korrigierter oder ergänzter Form lediglich in berechtigten Ausnahmefällen bei technischen Übermittlungs- oder formalen Datenfehlern zulässig ist.

Wie das BVA auf Anfrage mitteilte, ist der Deutsche Hausärzteverband bisher nicht wegen möglicher Zusatzvergütungen für Codierungen in Verträgen angeschrieben worden. Dies sei seines Wissens nach auch nicht geplant, sagte BVA-Sprecher Schmidt.

Mit den Landesaufsichtsbehörden, die für die AOKen zuständig sind, hat das BVA heute ein Gespräch geführt. Ziel sei es, die bisherigen Erfahrungen auszutauschen und weiterhin ein bundesweit einheitliches Vorgehen der Aufsichtsbehörden zu beschließen, kündigte die Behörde an. Über Ergebnisse der Arbeitsgruppensitzung konnte das BVA nach Angaben eines Sprechers heute keine Auskunft geben.

© may/aerzteblatt.de

„Si tacuisses!“ oder: „Wer im Glashaus sitzt, soll nicht so laut brüllen“

Bei der Forderungsdurchsetzung gegen einen akut insolvenzgefährdeten Geschäftspartner kann ein insolvenzrechtlich unerfahrener Anwalt nur Fehler machen. Dies hat jetzt ein Anleger-Anwalt erfahren, der sich mit dem Insolvenzrecht ganz offensichtlich nicht auskannte.

In einem vom BGH jetzt entschiedenen Schadensersatzfall eines Mandanten gegen seinen Anwalt ging es um eine Fondsgesellschaft, die ein Schneeballsystem entwickelt und damit eine Vielzahl von Anlegern vorsätzlich geschädigt hatte („Göttinger Gruppe“). Der betroffene Anwalt hatte das Mandat von einer Vielzahl von Anlegern, deren Interessen er gegenüber der Fondsgesellschaft zu vertreten hatte. Er war insbesondere beauftragt, längst überfällige Ausschüttungen zu realisieren. Für den hiesigen Kläger hatte er artig einen Auszahlungstitel erstritten. Anstatt aber dann auch gleich die Zwangsvollstreckung zu betreiben und auf die 3-monatige Anfechtungsfrist zu spekulieren, schloss er 4 Monate später und an Stelle der Zahlungen mit der Fondsgesellschaft eine Vertrag über Verpfändung von Aktien. Die Aktien wurden 1 Jahr später veräußert und seine Mandanten erhielten im Ergebnis € 5 Mio. ausgeschüttet, was aber nur einem Bruchteil der fälligen Forderungen entsprach.

Weitere 6 Monate später beantragte er für einen mitvertretenen Gläubiger deshalb die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Betrugsgesellschaft. In dem Antrag legte er ausführlich dar, dass und warum die Gesellschaft bereits seit mindestens 1 Jahr insolvenzreif war. Damit hatte er sich und seinen Anlegern ein doppeltes Grab geschaufelt:

  • Zum einen hätte er die Mandanten darauf aufmerksam machen und es ihnen überlassen müssen, ob sie die Kosten für die Titulierung trotzdem aufbringen wollten. Das hat jedenfalls der BGH in seinem Urteil vom 07.09.2017, Az. IX ZR 71/16 entschieden. Das ist jetzt nicht so furchtbar überraschend.
  • Viel schlimmer war die Entscheidung, den Insolvenzantrag zu stellen. Das hätte er besser gelassen, denn dadurch hat er dem Insolvenzverwalter gegenüber dokumentiert, dass er bei Realisierung der € 5 Mio. bereits seit geraumer Zeit positive Kenntnis von der Zahlungseinstellung hatte. Diese Kenntnis wurde den Mandanten zugerechnet. Da die Verpfändung von Aktien an Stelle der Zahlungen des weiteren inkongrunet war, hatte er das Anfechtungsgrab für seine Anleger geschaufelt und der Insolvenzverwalter musste nur noch den Sargdeckel draufmachen.

„Die Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen einerseits und von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen andererseits hat der Anwalt zu kennen“, so der BGH. Er hat den Fall zurückverwiesen, weil noch nicht geklärt war, ob eine zügige Zwangsvollstreckung ebenfalls zur alsbaldigen Insolvenzverfahren geführt hätte oder ob die Betrugsfirma zumindest noch die 3-Monatsfrist überlebt hätte. Die Fallgestaltung sprach dafür.

FAZIT:

Wer in der Insolvenznähe eines Schuldners taktische Anträge stellt, sollte sich besser sehr gut auskennen mit dem Insolvenzverfahren oder die Füße stillhalten. „Si tacuisses“, wie der Lateiner sagt, oder auf Deutsch: Schweigen wäre hier mal wieder Gold gewesen.

FG Münster v 07.09.2017: USt-Organschaft endet auch bei Eigenverwaltung mit der Bestellung des vorl. Sachwalters

USt-Organschaft endet auch im Insolvenzverfahren mit Eigenverwaltung (§ 270a InsO) bereits im Antragsverfahren, und zwar mit der Bestellung des vorl. Sachwalters, obwohl dieser noch weniger Geschäftsführungsbefugnisse hat wie der vorläufige Insolvenzverwalter im Regel-Antragsverfahren.

Das meint jedenfalls das FG Münster, Az. 5 K 3123/15 U, hat die Revision allerdings zugelassen:

https://www.justiz.nrw.de/nrwe/fgs/muenster/j2017/5_K_3123_15_U_Urteil_20170907.html

Gesetz zur Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen verabschiedet

Der Gesetzgeber am 27.06.2017 noch rechtzeitig vor der Sommerpause (und knapp vor dem Ende der Legislaturperiode) die Steuerbefreiung für Sanierungsgewinne gesetzlich geregelt. Bislang gab es dafür nur einen Ministerialerlass, den der Bundesfinanzhof für rechtswidrig gehalten hatte (BFH, Urteil v. 28.11.2016 – GrS 1/15). Daraufhin konnten sämtliche Insolvenzpläne, die typischerweise einen umfangreichen Forderungserlass zum Inhalt haben, nicht mehr rechtssicher kalkuliert werden.

Mit dem Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen vom 27.06.2017 (BGBl. I 2017, S. 2074 ff.) hat der Gesetzgeber nun nicht nur die Gesetzeslücke um die „cum-ex“-Geschäfte geschlossen, sondern auch die Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen endlich auch gesetzlich geregelt (Art. 2 des Gesetzes).

In § 3a Abs. 1 n.F. EStG heißt es deshalb künftig:

„Betriebsvermögensmehrungen oder Betriebseinnahmen aus einem Schuldenerlass zum Zwecke einer unternehmensbezogenen Sanierung im Sinne des Absatzes 2 (Sanierungsertrag) sind steuerfrei.“

Und bei der Skala des Verlustverbrauchs gem. § 3a Abs. 3 n.F. EStG heißt es in Ziff. 4:

„Bei der Verlustermittlung [nach § 15b EStG, Anm. d.R.] bleibt der Sanierungsertrag künftig unberücksichtigt.“

Das Gesetz wurde am 4. Juli 2017 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Es tritt allerdings erst in Kraft, sobald die EU-Kommission festgestellt hat, dass diese Regelung eine mit dem Binnenmarkt vereinbare staatliche Beihilfe darstellt.

Und was passiert mit den Alt-Fällen?

Der BFH hat am 23.08.2017 ausgeurteilt, dass für Altfälle, also für Fälle, in denen ein Sanierungsgewinn dadurch entstanden ist, dass die Schulden vor dem 09.02.2017 erlassen worden sind, weder eine Einkommensteuerbefreiung dieses Sanierungsgewinns nach § 3a EStG n.F. noch eine Billigkeitsmaßnahme nach den BMF-Schreiben vom 27.03.2003 oder vom 27.04.2017 in Betracht kommen.

(BFH, Urt. v. 23.08.2017 – X R 28/15)

In dem neuen Gesetz gibt es folgende Regelung dazu:

§ 52 EStG wird wie folgt geändert:

a) Nach Absatz 4 wird folgender Absatz 4a eingefügt:

„(4a) § 3a in der Fassung des Artikels 2 des Gesetzes vom 27. Juni 2017 (BGBl. I S. 2074) ist erstmals in den Fällen anzuwenden, in denen die Schulden ganz oder teilweise nach dem 8. Februar 2017 erlassen wurden.
Satz 1 gilt bei einem Schuldenerlass nach dem 8. Februar 2017 nicht, wenn dem Steuerpflichtigen auf Antrag Billigkeitsmaßnahmen aus Gründen des Vertrauensschutzes für einen Sanierungsertrag auf Grundlage von § 163 Absatz 1 Satz 2 und den §§ 222, 227 der Abgabenordnung zu gewähren sind.“

Hier ist der Link zum Gesetz:

https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl117s2074.pdf%27%5D#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl117s2074.pdf%27%5D__1505922601936

Toys’R’Us beantragt Gläubigerschutz in USA und Canada

Der amerikanische Spielzeughersteller Toys’R’Us hat gestern abend an seinem Sitz in Wayne/New Jersey Gläubigerschutz nach Capter 11 des US Insolvency Code* beantragt, und das mitten in den Vorbereitungen für das Weihnachtsgeschäft. Das Unternehmen hat langfristige Verbindlichkeiten in Höhe von 5 Mrd. USD angehäuft, die es regulieren muss. Dafür hat es einen neuen Kredit über 3 Mrd. USD von seinen Hausbanken erhalten, um das Weihnachtsgeschäft zu finanzieren. Diese Kreditaufnahme muss allerdings noch von dem zuständigen Bundesgericht genehmigt werden, was allerdings als sicher gilt. Derweil kann das Unternehmen weiter am Markt operieren und braucht in dieser Periode keine Alt-Verbindlichkeiten zu zahlen, also auch keinen Kapitaldienst zu leisten.

Das Unternehmen ist im Besitz der beiden Investmentfonds KKR und Bain Capital, die das Unternehmen 2005 für 6,6 Mrd. USD übernommen hatten. Offenbar hatte der Kapitaldienst das Unternehmen derart ausgeblutet, dass es keine Entwicklungsmöglichkeiten mehr hatte und „ausgebremst wurde“, so der managing director des größten Marken-Einzelhändlers, Dave Bandon. Das Management geht davon aus, dass das Unternehmen fortgeführt werden wird und die finanziellen Alt-Verpflichtungen so geregelt werden, dass das Unternehmen langfristig wirtschaftlich arbeiten kann. Das operative Geschäft außerhalb der USA und Canadas ist von der Insolvenz nicht betroffen.

Hier sind die Einzelheiten aus der französischen Presse:

http://www.lemonde.fr/entreprises/article/2017/09/19/le-geant-des-jouets-toys-r-us-se-declare-en-faillite_5187682_1656994.html

*Das Verfahren entspricht in etwa dem Schutzschirmverfahren nach § 270a der deutschen Insolvenzordnung, allerdings wird es im Unterschied zum deutschen verfahren vono einem amerikanischen Bundesgericht streng überwacht und die Entscheidungen des managements müssen gerichtlich genehmigt werden. In Deutschland ist eine gerichtliche Überwachung nicht vorgesehen.

TÜV Rheinland haftet nicht für minderwertige Brustimplantate!

Der TÜV Rheinland muss für die Zertifizierung minderwertiger Brustimplantate der Firma PIP in Frankreich nun auch in Deutschland nicht einstehen. Nachdem zuvor bereits etliche Klagen gegen Kliniken, die die Implantate verwendet hatten, abgewiesen worden waren – u.a. mit dem Hinweis auf das TÜV-Zertifikat – hat der 7. Zivilsenat des BGH hat in seinem Urteil vom 22.06.2017 – VII – ZR 36/17 – eine Haftung des TÜV Rheinland abgelehnt und die Klage einer betroffenen Patientin abgewiesen.

Die französische Firma Poly Implan Prothèse (PIP) hatte Brustimplantate mit billigem und minderwertigem Industriesilikon gefüllt, das später aus der – porösen – Hülle austrat und tröpfchenweise das umliegende Gewebe infiltrierte, mit furchtbar schmerzhaften Entzündungen und Vernarbungen des Haut- und Unterhautgewebes. Die Patientinnen erlitten irreversible Schäden, weil das ausgetretene Silikon nicht entfernt werden kann. Da die französische Herstellerfirma in Insolvenz gegangen ist, wollten die Geschädigten den TÜV Rheinland als sog. „benannte Stelle“ dafür haftbar machen. Dies hat der BGH nun ebenfalls abgelehnt.

Der TÜV Rheinland hatte zwar die Zertifizierung des Herstellungsprozesses übernommen, aber gerade nicht die Materialprüfung (!) des verwendeten Silikons.

Zwar hätte der TÜV Rheinland die Verwendung des untauglichen Silikons im Herstellungsprozess möglicherweise entdecken können, insbesondere dann, wenn er unangekündigte Prüfungen durchgeführt hätte, dazu war er aber nicht verpflichtet, so der BGH. Die Klägerin hatte sich zwar darauf berufen, dass es bereits im Jahr 2001 Warnhinweise der US-amerikanischen Food & Drugs Behörde (FDA) wegen dieses Präparats gegeben habe, allerdings hatte der TÜV Rheinland sich damit verteidigt, dass er erst im Jahr 2011 (!), und somit erst nach der OP der Klägerin, davon Kenntnis erlangt habe. Dieser Vortrag blieb unwidersprochen (!) und galt somit gemäß § 138 III ZPO als zugestanden.

Im Ergebnis stellt der BGH sich damit an die Seite der französischen Cour d’Appel von Aix-en-Provence, die eine Haftung des TÜV Rheinland gegenüber französischen Patientinnen aus demselben Grund ebenfalls abgelehnt hatte, jedenfalls in 2. Instanz. in der 1. Instanz hatte die chambre de commerce von Toulon den TÜV Rheinland zuvor in 2 Verfahren zu je 3.000 bzs. 3.400,- pro Patientin verurteilt, was sich auf ca. Mio.€ 5,8 belaufen würde. Beide Urteile waren für vorläufig vollstreckbar erklärt worden.

http://www.francetvinfo.fr/sante/affaires/protheses-pip/protheses-mammaires-pip-la-cour-d-appel-estime-que-le-certificateur-tuv-n-a-pas-commis-de-faute_979719.html

Die Cour d’Appel hat die Urteile zwar wieder aufgehoben, allerdings ist hierüber offenbar derzeit noch ein Rechtsmittel zur Cour de Cassation in Paris anhängig. Darin wird es u.a. um den Inhalt und den Umfang der Prüfungspflicht des TÜV Rheinalnd gehen.

Der Gründer des Unternehmens, Jean-Claud MAS und sein Finanzvorstand Claude COUTY waren im Mai 2006 zu 3 bzw. 4 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden, und zwar nicht zuletzt auch wegen Betrugs und vorsätzlicher Täuschung des TÜV Rheinland!

http://www.france24.com/fr/20160502-france-justice-pip-protheses-mammaires-implants-jean-claude-mas-condamne-appel-quatre-ans

Seit Jahren wird in Deutschland ein Gesetz gefordert, das die Verwendung von Medizinprodukten – insbesondere den Implantaten – unter strenge Zulassungsprüfungen und unter strengere Aufsicht stellt. Leider bisher ohne Erfolg. Das Nachsehen haben die Patienten, die auf dem Schaden alleine sitzen bleiben, wie der o.g. Fall wieder einmal deutlich zeigt. Das ist von der Politik aber offenbar ja auch genau so gewollt.

Wie ist Ihre Meinung dazu?

Am 30.09. läuft die Frist für die USt.-Vergütung für Kostenrechnungen aus dem EU-Ausland ab

Werbungskosten, die Ihnen z.B. bei einer Geschäftsreise ins EU-Ausland oder als Messeaussteller im EU-Ausland entstehen, enthalten Umsatzsteuer. Im Inland würden Sie diese – soweit die betriebliche Veranlassung belegt ist – im Rahmen des Vorsteuerabzugs problemlos gegenüber dem Fiskus geltend machen. Aber wie sieht das bei Ausgabebelegen aus – sagen wir – Frankreich, aus?

Dise USt-Anteile können selbstverständlich ebenfalls zur Erstattung vorgelegt werden, aber nicht in Deutschland, sondern in dem Land, in dem sie entstanden sind. Dafür ist in Deutschland ein sog. „Vergütungsverfahren“ vorgesehen (Abschn. 18g UStAE). Die Erstattungsfähigkeit selbst und natürlich auch ihre Höhe richten sich dabei nach dem ausländischen USt.-Recht (Recht des Rechnungsausstellungsorts).

Der Antrag wird nur in elektronischer Form vom Bundeszentralamt für Steuern in Saarlouis („www.bzst.de“) entgegen genommen. Manche Länder verlangen ab einem Erstattungsbetrag von € 1.000,- (bei Kraftstoffrechnungen € 250,-) elektronische Kopien der Originalrechnungen, ggfls. den Einfuhrbeleg.

Die Mindestvergütung beläuft sich auf € 50,-, aber Sie können sammeln. Die Abgabefrist endet erst am 30.09. des Folgejahres (eingehend beim BZSt.!).

Das war’s.

Also: Nicht verzichten – üben! 🙂

Bei Umsatzsteuererstattungen innerhalb und außerhalb der EU hilft Ihnen die Kanzlei BRENNER in Bonn/Saarlouis. Auch eine Vorfinanzierung ist möglich. Sprechen Sie uns bitte ganz unverbindlich an.

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