Wann ist ein Bargeschäft trotz Kenntnis von Zahlungsunfähigkeit unanfechtbar?

Nichts ist sicher im Insolvenzanfechtungsrecht, nicht einmal das Bargeschäft! Was der vorläufige Insolvenzverwalter darf, nämlich Einkäufe tätigen um den Betrieb einstweilen fortzuführen, darf der Schuldner noch lange nicht. Und büßen muss es der Lieferant, der am Ende kostenlos geliefert haben wird, ohne es zu wissen. Zwar entfällt beim Bargeschäft schon per definitionem die gläubigerbenachteiligende Wirkung (die ein zwingendes Tatbestandsmerkmal jeder Anfechtung ist und vom Insolvenzverwalter zu beweisen ist); denn ein Bargeschäft liegt erst dann vor, wenn eine wertausgleichende Zahlung für eine gleichwertige Lieferung geleistet wurde, und zwar zeitnah, also innerhalb des vereinbarten Zahlungsziels.

Trotzdem wurden auch Bargeschäfte regelmäßig angegriffen, und mit Erfolg: Der BGH hat den Regelsatz aufgestellt, dass die Gläubiger auch dann – mittelbar – benachteiligt werden, wenn der Wertausgleich der konkreten Transaktion zwar positiv ist, das Unternehmen aber nicht kostendeckend arbeitet und daher weitere Verluste macht (sog. „mittelbare“ Benachteiligung).

Das mag der Schuldner vielleicht wissen – und entsprechenden Gläubigerbenachteiligungsvorsatz haben -, aber was hat der Lieferant damit zu tun, der die finanziellen Verhältnisse und vor allem die Kalkulationsgrundlage seines Kunden in der Regel gar nicht kennt?

Ganz einfach: Der Lieferant muss ja nur die „drohende“ Zahlungsunfähigkeit kennen. Alles andere ergibt sich nach Auffassung des BGH von allein, denn die drohende Zahlungsunfähigkeit indiziert die gläubigerschädigende Wirkung der Zahlung, und auf den unmittelbaren Wertausgleich, also den bilanziellen „Aktiva-Tausch“ kommt es im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO ja nicht mehr an, der wurde ja bereits bei der Prüfung des Bargeschäfts geprüft und positiv beantwortet.

Jetzt hat der BGH hierzu eine Korrektur vorgenommen (Vorsicht: die Richter des BGH sprechen nie von „Korrektur“, immer nur von „Klarstellung“):

Ein Getränkehändler musste im März 2012 Insolvenz anmelden. Nach etlichen Rücklastschriften hatte der Lieferant ihn schließlich nur noch gegen Vorkasse beliefert und der Schuldner zahlte die Lieferungen – abweichend von der üblichen Abbuchung – bar. Der BGH hat bestätigt, dass der Lieferant ausreichende Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit hatte. Allerdings – so die Richter – musste sich ihm nicht unbedingt die mittelbare Benachteiligung durch die unrentable Fortführung des Unternehmens aufdrängen:

Während beim Schuldner das Bewusstsein vermutet wird:

„Auch im Falle eines bargeschäftsähnlichen Leistungsaustausches wird sich der Schuldner der eintretenden mittelbaren Gläubigerbenachteiligung allerdings dann bewusst werden, wenn er weiß, dass er trotz Belieferung zu marktgerechten Preisen fortlaufend unrentabel arbeitet und deshalb bei der Fortführung seines Geschäfts mittels der durch bargeschäftsähnliche Handlungen erworbenen Gegenstände weitere Verluste anhäuft, die die Befriedigungsaussichten der Gläubiger weiter mindern, ohne dass auf längere Sicht Aussicht auf Ausgleich besteht.“

muss der angreifende Verwalter dieses Bewusstsein beim Lieferanten vollumfänglich beweisen:

„Dem Gläubiger kann in diesem Fall wegen des gleichwertigen Leistungsaustauschs wie dem Schuldner trotz Kenntnis von dessen Zahlungsunfähigkeit die gläubigerbenachteiligende Wirkung der an ihn bewirkten Leistung nicht bewusst geworden sein. Die gesetzliche Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO greift dann nicht ein. Der zweite Teil des Vermutungstatbestandes ist nicht erfüllt. Anders liegt es nur, wenn der Anfechtungsgegner weiß, dass der Schuldner unrentabel arbeitet und bei der Fortführung seines Geschäfts weitere Verluste erwirtschaftet. Dann weiß er auch, dass der bargeschäftsähnliche Leistungsaustausch den übrigen Gläubigern des Schuldners nicht nutzt, sondern infolge der an den Anfechtungsgegner fließenden Zahlungen Nachteile bringt.“

„Die Voraussetzungen der Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung hat der Insolvenzverwalter darzulegen und zu beweisen. Im Falle der Vorsatzanfechtung nach §133 Abs. 1 InsO gehört hierzu die Kenntnis des anderen Teils vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners. Beruft sich der Insolvenzverwalter auf die Vermutungswirkung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO und steht, wie hier, ein bargeschäftsähnlicher Leistungsaustausch fest, ist die von der erkannten drohenden Zahlungsunfähigkeit ausgehende Indizwirkung für die Kenntnis von einer Gläubigerbenachteiligung nicht gegeben. Es obliegt dann dem Verwalter, darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass der Anfechtungsgegner von der Unwirtschaftlichkeit der Geschäftsfortführung des Schuldners wusste und deshalb nicht annehmen durfte, der Leistungsaustausch werde der Gläubigergesamtheit nutzen.“

„Wer’s nicht glaubt – Fußnote“:

BGH, Urt. v. 04-05-2017, IX_ZR_285/16 (Getränkehändler-Fall)

Wann ist ein Bargeschäft trotz Kenntnis von Zahlungsunfähigkeit unanfechtbar? Zuletzt aktualisiert: 08.07.2018 von Barbara Brenner

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