EHV Bonn bestellt RA’in Brenner zur Vertragsanwältin für Insolvenzrecht

Bonn, den 05.05.2022 – Ich freue mich mitteilen zu dürfen, dass der #Einzelhandelsverband Bonn-Rhein/Sieg-Euskirchen mich zur Vertragsanwältin für Insolvenzrecht bestellt hat. Ich bin damit beauftragt, die Mitglieder des Verbands in allen Fragen zum Insolvenzrecht zu beraten, z.B.:

  1. bei der Forderungsanmeldung: Die Forderungsanmeldung und Überwachung der Insolvenztabelle führen wir im Auftrag des EHV für die Mitglieder kostenlos durch (die Gebühren trägt der EHV),
  2. bei der Durchsetzung Ihres Eigentumsvorbehalts und anderer Kreditsicherheiten unterstützen und vertreten wir Sie (auf die Gebühren erhalten Sie als EHV-Mitglied einen Rabatt von 10 %),
  3. ebenso bei der Vorbeugung und Abwehr von Insolvenzanfechtungen,
  4. bei der Weiterbelieferung vor und nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens,
  5. bei der Identifizierung und Korrektur toxischer AGB-Klauseln
  6. und v.a.m.

Außerdem beraten wir Sie zu den Besonderheiten bei

  1. Eigenverwaltung,
  2. CovInsAG und
  3. außergerichtlichem Restrukturierungsverfahren (StaRUG)

Die Erstberatung ist für die Mitglieder kostenlos; der Verband übernimmt die Gebühr für seine Mitglieder. Falls ein Mandat zur Vertretung erteilt wird, erhalten Mitglieder einen gesonderten EHV-Rabatt in Höhe von 10 % auf die Gebühren.

Ich freue mich auf die Zusammenarbeit!

https://www.ehvbonn.de/der-verband/ihre-vorteile/

BGH: Weiteres Urteil zur Vorsatzanfechtung

Karlsruhe, 24.02.2022 – Zum Vorsatz im Anfechtungsrecht

Beim Vorsatz muss man genau hinschauen, denn:

„Beim Vorsatz verbietet sich jegliche Spekulation“.

zit.: BGH in Strafsachen, 4 StR 399-17 („Raser-Urteil I“), zur Ermittlung des dolus eventualis beim Täter

Diese Rechtsposition hatte die Verfasserin bereits mehrfach in ihren Vorträgen zum Anfechtungsrecht beim FORUM Institut für Management im Jahr 2018 in Frankfurt/M. und zuletzt bei der ZIP-Tagung des Otto-Schmidt-Verlags im Jahr 2021 vertreten. Offenbar ist nunmehr auch der BGH in Insolvenzsachen dieser Meinung. Wie schön!

Die Verteidigung eines Anfechtungsgegners gegen eine Vorsatzanfechtung ist herausfordernd, aber nicht aussichtslos. Insbesondere wenn es um den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners geht, der zwingende Voraussetzung für die Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO ist, kämpft der Gläubiger auf unbekanntem Terrain, denn dazu kann er schlicht gar nichts sagen. Gleichwohl ist die Feststellung des (fehlenden) Vorsatzes für den Gläubiger essentiell. Denn ohne Vorsatz keine Kenntnis vom Vorsatz und somit auch keine Anfechtung beim Gläubiger. Es ist deshalb die einzige Aufgabe des Verteidigers, darauf zu achten, dass der Vorsatz korrekt ermittelt und nicht wild herumspekuliert wird.

Der BGH hat sich jetzt ein weiteres Mal zu den Voraussetzungen an den Schuldnervorsatz im Rahmen einer Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO geäußert:

Die Zahlungsunfähigkeit stellt nur dann ein Indiz für den Benachteiligungsvorsatz dar, wenn der Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit erkannt hat“ heißt es in Tenor 1 des Urteils vom 24.02.2022 – IX ZR 250/20.

https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=2022-2&nr=127541&pos=4&anz=150

Damit mit stellt der BGH nochmals ausdrücklich klar, dass die Kenntnis des Schuldners von seiner Zahlungsunfähigkeit nicht einfach vermutet werden darf. Es muss vielmehr bewiesen werden, dass er ein entsprechendes Bewusstsein auch tatsächlich HATTE. HÄTTE HABEN MÜSSEN reicht nicht. Damit baut der IX. Zivilsenat seine Rechtsprechung aus dem Urteil vom 6.5.2021 – IX ZR 72/20 – weiter aus. Es war immer schon klar, dass ein Vorsatz beim Schuldner nur dann angenommen werden kann, wenn dieser zahlungsunfähig war und seine Zahlungsunfähigkeit auch kannte. Das ist insofern also nichts Neues. Neu ist allerdings, dass der BGH diese Kenntnis jetzt hinterfragt und somit verlangt, dass die Verwalter zu allen Vorsatzelementen konkret vortragen, und zwar sowohl zum kognitiven (Wissens-) als auch zum voluntativen (Wollens-)Element. Das war bisher nicht notwendig. Der gängigen Auffassung etlicher Untergerichte, wonach Kenntnis HAT, wer sie ZU HABEN HAT, wird hier also eine Absage erteilt.

Dadurch wird gleichzeitig die Abgrenzung zur Haftung des Geschäftsführers nach § 15b InsO (früher: § 64 GmbHG) schärfer gezogen. Das Urteil des BGH vom 6.5.2021 wird von Verwalterseite scharf dafür kritisiert, dass einem Geschäftsführer, der nach § 15b InsO wegen Insolvenzverschleppung haften muss, bei der Anfechtung aber kein Vorsatz unterstellt werden darf. Das ist so aber nicht richtig:

Die Kritik übersieht dabei, dass die Anforderungen an die Haftung des Geschäftsführers nach § 15b InsO deutlich niedriger sind, denn hierfür reicht einfache Fahrlässigkeit aus, wogegen bei der Vorsatzanfechtung eine fahrlässige Handhabung der Dinge eben nicht ausreicht. Es musste  vielmehr vorsätzlich gehandelt worden sein, und zwar im Einvernehmen mit dem Gläubiger. Denn angefochten wird wegen Vorsatzes des Geschäftsführers ja nicht bei diesem, sondern beim Gläubiger! Dieser musste sich sozusagen mit dem Geschäftsführer gemein gemacht haben nach dem Motto, „Ich nehme das Geld, koste es die anderen Gläubiger, was es wolle.“

Die Haftung nach § 15b InsO greift also bereits ein, wenn der Geschäftsführer die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft ZU HABEN HATTE. Das reicht bei einer Vorsatzanfechtung aber eben nicht aus. Diese greift erst dann ein, wenn er sie auch tatsächlich GEHABT HATTE. Wenn der GF die Kenntnis also tatsächlich HATTE, greift sowohl der § 15b InsO als auch der § 133 Abs. 1 InsO (letzterer natürlich nur, wenn die zusätzlichen, gläubigerseitigen Voraussetzungen vorliegen). Umgekehrt: Wenn er die Kenntnis nur ZU HABEN HATTE, ist er im Bereich der (groben) Fahrlässigkeit unterwegs, was für eine Haftung nach § 15b InsO ausreicht, für eine Vorsatzanfechtung dagegen nicht. Es gibt sicherlich eine Grauzone, z.B. wenn der GF „angestrengt wegschaut“, etwa weil er damit rechnet, dass die liquiden Mittel dauerhaft notleidend sind und auch bleiben werden. Wer wegschaut, damit er nicht sieht, was er schon weiß, der kann natürlich mit mangelnder Bewusstseinsbildung nicht gehört werden.

Mit der Entscheidung vom 24.02.2022 führt der BGH seine Rechtsprechung zu den Anforderungen an den Vorsatznachweis in Bezug auf die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit nun fort.

Zunächst hatte der BGH nämlich nur das zweite Element des Schuldnervorsatzes überprüft, nämlich die Kenntnis von der gläubigerbenachteiligenden Wirkung seiner Zahlungen.

Beispiel:

  • BGH, Urt. v 12-09-2019, IX ZR 264-18 – ein unterhaltspflichtiger Schuldner meinte (irrig), er zahle den Unterhalt aus seinem pfändungsfreiem Einkommen. Der BGH meinte, dieser Irrtum könne darauf hinweisen, dass er kein Bewusstsein gehabt haben könnte, dass die Gläubiger geschädigt wurden, und wies die Sache zur weiteren Aufklärung zurück ans LG Lüneburg
  • BGH, Urt. v 18-07-2019, IX ZR 258-18, Urlaubskasse (1)
  • BGH, Urt. v 18-07-2019, IX ZR 259-18, Urlaubskasse (2)
  • BGH, Urt. v 21-11-2019, IX ZR 238-18, SOKA-Bau (Gegenleistungen)

In allen diesen vier Urteilen erkannte der BGH Anzeichen dafür, dass der Schuldner offenbar geglaubt hatte, durch die Zahlung von Rückständen und entsprechenden Kontenausgleich könne er später fällig werdende Ersatzleistungen (Ansprüche auf Ersatz von Urlaubsgeld u.a.) von einer Ersatzkasse generieren, wodurch die Abflüsse durch Zuflüsse wieder ausgeglichen würden. Obwohl im Anfechtungsrecht spätere Zuflüsse mit den anfechtbaren Abflüssen nicht saldiert werden dürften, so der BGH, bestünden doch erhebliche Zweifel an dem Bewusstsein des Schuldners, seine Gläubiger zu schädigen, und wies die Sachen zur weiteren Aufklärung jeweils zurück ans OLG Frankfurt/M. Der dortige „Spezialsenat“ hat überhaupt nichts dazu aufgeklärt, sondern den Hinweis des BGH als erwiesene Tatsache unterstellt und die Klagen insoweit abgewiesen. Von mir aus.

Mit Urteil vom 06.05.2021 – IX ZR 72/20 – hatte der BGH diese Rechtsprechung sodann weiter verfestigt:

„Tenor b)  Der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners setzt im Falle der erkannten Zahlungsunfähigkeit zusätzlich voraus, dass der Schuldner im maßgeblichen Zeitpunkt wusste oder jedenfalls billigend in Kauf nahm, seine übrigen Gläubiger auch künftig nicht vollständig befriedigen zu können; dies richtet sich nach den ihm bekannten objektiven Umständen.“

Neu war hier, dass diese Kenntnis sich auch auf die Zukunft beziehen muss, d.h. der GF musste gewusst haben, dass er die anderen Gläubiger voraussichtlich gar nicht mehr würde befriedigen können, und zwar nicht mehr nur binnen der Antragspflicht, also binnen 3 Wochen, sondern dauerhaft nicht. Hierfür müssen objektive Umstände herangezogen werden, die jeweils exakt zu ermitteln sind. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen dieser Umstände und für die Kenntnis des Schuldners hiervon liegt beim Insolvenzverwalter.

Während die vorzitierten Urteile sich vorwiegend mit dem Bewusstsein des Schuldners über die Folgen seiner Zahlungen befassten, äußert der BGH sich in seinem Urteil vom 24.02.2022 nun zur Kenntnis des Schuldners von seiner eigenen Zahlungsunfähigkeit bzw. von der Zahlungsunfähigkeit seines Unternehmens:

Was war passiert?

Die Schuldnerin hatte turnusmäßig Lizenzgebühren in Höhe von € 15.000 an ihre Gesellschafterin bezahlt; im Nachhinein stellte sich jedoch heraus, dass die Schuldnerin durch Kündigung und Fälligstellung von Wandel-Darlehensforderungen anderer Gläubiger zu diesem Zeitpunkt tatsächlich bereits objektiv zahlungsunfähig geworden war. Der GF der Schuldnerin war bei Vornahme der Zahlung allerdings noch davon überzeugt, dass diese Forderungen vertraglich nicht durchsetzbar waren, weil für die Darlehen zum einen eine feste Laufzeit vereinbart war, und sie im Übrigen einem vertraglich vereinbarten, qualifizierten Rangrücktritt unterlagen.

In Nachhinein hatte sich offenbar erwiesen, dass er Unrecht hatte, und dass die Rückforderungen tatsächlich liquide waren.

Der BGH hat diese Situation so bewertet, dass der Geschäftsführer sich keinen Benachteiligungsvorsatz gebildet hatte, und zwar mit folgender Begründung:

Ob der Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit erkannt hat, hängt in erster Linie davon ab, ob er die Tatsachen kennt, welche die Zahlungsunfähigkeit begründen, und ob die gesamten Umstände zwingend auf eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen. Hierzu muss der Schuldner nicht nur die Forderungen kennen, sondern auch deren Fälligkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO.

Hält der Schuldner eine Forderung, welche die Zahlungsunfähigkeit begründet, aus Rechtsgründen für nicht durchsetzbar oder nicht fällig, steht dies einer Kenntnis entgegen, sofern bei einer Gesamtwürdigung der Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit nicht zwingend naheliegt (Verweis auf BGH, Urt. v. 19.02.2009 – IX ZR 62/08, Rn. 14).“

Für letzteres hatte der Kläger allerdings nichts vorgetragen.

Der BGH hat zunächst festgestellt, dass die Schuldnerin im Zeitpunkt der Zahlung von der mangelnden Durchsetzbarkeit der Forderungen ausging, und somit schon gar keine Kenntnis von der (tatsächlich aber eingetretenen) Fälligkeit der Forderungen hatte, und folgert daraus:

„Hatte die Schuldnerin keine Kenntnis davon, dass die gegen sie gerichteten Forderungen fällig waren, kann nicht angenommen werden, dass sie ihre Zahlungsunfähigkeit in einer für den Benachteiligungsvorsatz nach § 133 Abs. 1 InsO sprechenden Weise erkannt hat.“

Auch hier spielt das Bewusstsein des Schuldners also die entscheidende Rolle.

Fazit:

Für einen außenstehenden Gläubiger wird es schwer sein, einen solchen inneren Vorgang auf Seiten des Kunden festzustellen und entsprechenden Gegenvortrag zu führen. Entsprechender Sachvortrag des Verteidigers liefe Gefahr, „ins Blaue hinein“ vorgebracht zu werden. Allerdings zeigt dieser Fall eindrücklich, dass es durchaus Zusammenhänge gibt, die als äußere Anzeichen für einen mangelnden Benachteiligungsvorsatz streiten, und es ist die Pflicht des Gläubigervertreters, diese Anzeichen zu erkennen, zu ermitteln, vorzutragen und Bedenken gegen den Vorsatz zu formulieren, damit das Gericht dem nachgehen und einen Hinweis an den Verwalter erteilen kann.

Nicht ohne einen gewissen Stolz darf ich mitteilen, dass die Verfasserin diese Verteidigungsansätze seit Jahren verfolgt und sozusagen „erfunden“ hat. Umso größer ist jetzt natürlich die Freude, dass der BGH auf diese Linie einschwenkt.

Kann nämlich schon nicht festgestellt werden, dass der Schuldner die Zahlungsunfähigkeit und/oder die gläubigerbenachteiligende Wirkung seiner Zahlungen erkannt hatte, ist der Anfechtungsprozess schon gewonnen, denn dann kommt es auf die Kenntnis von Umständen, die für einen solchen Vorsatz streiten, und somit auf eine Kenntnis des Gläubigers, gar nicht mehr an.

Dabei stellt sich natürlich gleich die nächste Frage, nämlich wie stark die Beweiskraft von Umständen generell sein kann, wenn es grds. möglich ist, dass trotz Vorliegens verdächtiger Indizien tatsächlich fstgestellt werden muss, dass der Schuldner gar keinen Vorsatz hatte. Aber das ist ein anderes Thema.

Ein weiterer, interessanter Aspekt dieser Entscheidung ist Folgender:

Der BGH sagt:

„Ob der Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit erkannt hat, hängt in erster Linie davon ab, ob er die Tatsachen kennt, welche die Zahlungsunfähigkeit begründen.“

Frage:

Beinhaltet die Definition des BGH von der Zahlungsunfähigkeit (mindestens 90% Deckung ist binnen 3 Wochen nach Fälligkeit herzustellen) auch solche „Tatsachen“, welche die Zahlungsunfähigkeit begründen? Was ist, wenn der Schuldner die Definition des BGH gar nicht kennt – was häufig der Fall sein wird? Was ist, wenn er geglaubt hat, er habe viel mehr Zeit, seine Verbindlichkeiten zu bedienen, als nur 3 Wochen? Was ist, wenn er den Deckungsgrad seiner Verbindlichkeiten gar nicht kennt, weil er die Buchhaltung erstens nicht selbst und zweitens nicht nach Fälligkeiten erledigt, geschweige denn eine prospektive Finanzflussrechung erstellen lässt?

  • Im Rahmen des § 15b InsO schützt ihn das eher nicht, weil er sich hätte Gewissheit verschaffen können und evtl. auch müssen. Als Geschäftsführer haftet er also für die Zahlung an den Gläubiger.
  • Im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO dürfte aber das Bewusstsein fehlen, das für einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nun mal notwendig ist. Der Gläubiger haftet also nicht (mit).

„Beim Vorsatz verbietet sich jegliche Spekulation“.

Dieser Grundsatz scheint sich auch in Anfechtungssachen langsam durchzusetzen. Wie schön!

Bonn, den 22.03.2022 / B. Brenner

 

 

 

Keine Anfechtung bei „schlüssigem“ Sanierungskonzept

Es kommt vor, dass Ihr Haus von einem guten Kunden um Forderungserlaß ersucht wird, meist kombiniert mit Raten- oder Teilzahlungen. In diese Planung sind häufig auch andere Gläubiger mit einbezogen (sog. „Moratorium“). Ab diesem Zeitpunkt haben Sie zweifellos positive Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit Ihres Kunden. Ab diesem Zeitpunkt müssen Sie sehr vorsichtig zu Wege gehen, und zwar sowohl wegen Ratenzahlungen auf Alt-Forderungen als auch wegen der Zahlungen auf laufende Fälligkeiten. In dieser Situation kommt dem Sanierungskonzept eine tragende Rolle zu, die ich Ihnen kurz vorstellen möchte:

Worum geht es?

Bei der Anfechtung, insbesondere der gefährlichen 4 – 10-Jahres-Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO kommt es darauf an, ob der Schuldner durch die Zahlungen an Sie andere Gläubiger schädigen wollte (oder die Schädigung zumindest mit Billigung in Kauf genommen hatte), und ob Sie das auch erkannt hatten.

Die entscheidende Frage lautet deshalb: „Reicht das Sanierungskonzept Ihres Kunden aus, damit Sie vor einer späteren Anfechtung der vereinbarten  (Teil-)Zahlungen sicher sein können?“ Diese Frage stellt sich jedes Mal, wenn Sie entscheiden müssen, ob Sie eine Sanierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens begleiten und Ratenzahlungen und (Teil-)Erlassen zustimmen wollen oder nicht.

Benachteiligungsvorsatz des Schuldners

Der Schuldner durfte bei Zahlung auf keinen Fall eine Benachteiligung anderer – auch späterer – Gläubiger in Kauf genommen haben. Der BGH unterstellt einem Schuldner in der Krise allerdings STETS Benachteiligungsvorsatz. Dafür muss der Insolvenzverwalter nicht einmal etwas vortragen. Eine Zahlung im Zustand der Liquiditätsunterdeckung reicht dem BGH für diese Annahme aus. Er tut sich sehr schwer mit der Annahme, dass ein Schuldner im Einzelfall kein Problembewusstsein gehabt haben oder schlicht den Überblick verloren gehabt haben könnte. Statt – wie in § 133 Abs. 1 InsO verlangt – Vorsatz zu ermitteln, läßt der BGH den Fahrlässigkeitsvorwurf des § 64 GmbHG genügen („der GF hätte sich aus der Buchhaltung informieren müssen“). DAs ist zwar falsch, läßt sich aber niciht ändern. Dementsprechend sind seine Anforderungen an einen Gegenvortrag, warum der Schuldner ausnahmsweise einmal keinen Benachteiligungsvorsatz gehabt haben könnte, hoch.

Ein Schuldner könnte ausnahmsweise einmal KEINEN Benachteiligungsvorsatz gehabt haben, wenn er einen ernsthaften Sanierungsversuch unternimmt, so der BGH.

Aber wann genügt ein solcher Sanierungsversuch den (selbst aufgestellten) Anforderungen des BGH? Der BGH war in diesem Punkt bis dato nicht sehr klar. Die Aussage, dass das Sanierungskonzept nicht zwingend den IDW S6-Standard erreichen müsse (BGH, Urt. v. 12.05.2016), ist nicht hilfreich und stimmt – wie man inzwischen vermuten muss – so auch gar nicht. Denn der BGH führt weiter aus, das Sanierungskonzept müsse

  • schlüssig sein,
  • von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgehen,
  • eine begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertigen, und vor allem
  • zumindest in den Anfängen bereits in die Tat umgesetzt sein.

Allerdings stecken hinter diesen Anforderungen höchst qualifizierte Feststellungen und Berechnungen, die eben doch eine Aufarbeitung nach dem IDW S6-Standard erfordern, um überzeugend zu sein. Schließlich muss hier wie dort alles schlüssig dokumentiert sein, um vor Gericht Stand zu halten.

In einem neueren Urteil vom 14.06.2018 wird der BGH etwas deutlicher: Das Sanierungskonzept muss Aussagen enthalten über

  • die Art und Höhe der Verbindlichkeiten und
  • die Art und Zahl der Gläubiger.

Außerdem müsse

  • die zur Sanierung erforderliche Quote der Forderungserlasse festgestellt werden.

Da regelmäßig nicht alle Gläubiger verzichten, müsse darüber hinaus

  • eine Zustimmungsquote nach Schuldenstand festgelegt werden, ggfls.
  • differenziert nach Gläubigergruppen.

Allein die Feststellung der „zur Sanierung erforderlichen Quote der Forderungserlasse“ setzt voraus, dass zum einen

  • die Verbindlichkeiten korrekt erfasst werden,

aber neben den Verbindlichkeiten eben auch

  • die zur Verfügung stehende Liquidität

korrekt erfasst wird. Im Liquidationsfall ist das relativ einfach, hier sind zusätzlich nur die anstehenden Liquidationskosten zu erfassen. Soll das Unternehmen aber fortgeführt werden, so kommt man um die Erfassung auch der laufenden Kosten und Einnahmen für einen gewissen Zeitraum  nicht herum. Das bedeutet, dass man für den gesamten Sanierungszeitraum eine sog. „prospektive Finanzflussrechnung“ aufstellen muss, weil die Sanierung sonst nicht nachhaltig dargestellt wird, und künftige Gläubiger eben doch geschädigt werden könnten.

In diesem Fall wären übrigens auch Bargeschäfte anfechtbar, u.U. auch Vorkasse-Geschäfte, weil der Ankauf von Waren für das Schuldnerunternehmen nicht nützlich war (und der Lieferant das ggfls. auch wußte).

Das Sanierungskonzept ist also nur dann ein Gegen-Indiz gegen den Benachteiligungsvorsatz des Schuldner-GF, wenn es tatsächlich die Vollerledigung der Alt-Verbindlichkeiten erreicht und gleichzeitig eine ausreichende Liquidität für eine Geschäftsfortführung ausweist.

Dabei ist besonders spannend, wie der BGH mit Umsatzprognosen umgehen würde, von denen jede Liquiditätsplanung bekanntlich ausgehen muss, und ob er sie als „tatsächliche Gegebenheiten“ anerkennen wird. Gerade Umsatzprognosen sind ja bekanntlich in gewisser Weise spekulativ („besonders, sofern sie sich auf die Zukunft beziehen“). Sie müssen deshalb, um die tatsächlichen Gegebenheiten wieder zu spiegeln, auf einer – zumindest kursorischen – (Absatz-)Marktanalyse beruhen.

Die Quotenermittlung erfordert also schon wegen der dazu notwendigen Liquiditätsermittlung eine Analyse der absatzmarktwirtschaftlichen, produktwirtschaftlichen und finanzwirtschaftlichen Situation, mit sämtlichen arbeitsrechtlichen Zusatzkosten für allfälligen Personalabbau. Also doch IDW S6.

Die Kosten für eine solche Planung sind bekanntlich exorbitant hoch.

Bleibt der Schuldner hinter diesen Anforderungen zurück, so bleibt eine Schädigung künftiger Gläubiger immer noch möglich. Ist ihm das auch bewusst, dann hat es mit der Vermutung seines Schädigungsvorsatzes durch die Gerichte sein Bewenden.

Kenntnis des Gläubigers

Die zweite Voraussetzung der Vorsatzanfechtung ist, dass der Gläubiger vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners auch Kenntnis hatte. Angestrengtes Wegsehen hilft dabei nicht.

Der BGH unterstellt diese Kenntnis, sobald Ratenzahlungen nachgefragt werden, die auf einem Mangel an liquiden Zahlungsmitteln beruhen. Der Gesetzgeber hat in dem Anfechtungsreformgesetz von 2017 versucht, diese Vermutung aufzuheben, aber ob der BGH sich dadurch von seiner Vermutungsregel abhalten läßt erscheint mir sehr fraglich. D.h. der Gläubiger muss sich entlasten, also Gegenindizien vortragen. Ein schlüssiges Sanierungskonzept, das den o.a. Kriterien genügt, wäre ein solches Gegenindiz. Allerdings verlangt der BGH in seinem neueren Urteil, dass der Gläubiger der Ratenzahlung auf Basis und daher in Kenntnis des Sanierungskonzeptes zugestimmt hatte. Das ist insofern unsinnig, als es auf Kenntnis des Gläubigers nicht mehr ankommt, wenn der Schuldner-GF tatsächlich ein solches Konzept für sich aufgestellt und danach gehandelt hatte. Denn dann hatte der Schuldner-GF schon gar keinen Benachteiligungsvorsatz. Und von einem nicht existierenden Vorsatz kann der Gläubiger keine Kenntnis erlangen. Die Prüfung endet dann schon beim Benachteiligungsvorsatz des Schuldners. Kurz gesagt: Wo kein Vorsatz beim Schuldner, da keine Anfechtung beim Gläubiger.

Andererseits bedarf es eines sehr guten Kontaktes zum Schuldner-GF, um an solche Informationen zu gelangen, wenn diese dem Gläubiger bei Abschluss der Ratenzahlungsvereinbarung nicht vorgelegt wurden.

Beweislasten

Den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners muss der Insolvenzverwalter beweisen. Allerdings hilft der BGH dem Insolvenzverwalter insoweit großzügig mit Erfahrungssätzen, Indizien und Vermutungen. Dies ist zivilprozessual kritikwürdig, lässt sich aber nicht ändern.

Faktisch obliegt es also dem Gläubiger vorzutragen, dass der Schuldner-GF tatsächlich mit Gläubigergleichbehandlungswillen gehandelt hatte, etwa weil er ein Sanierungskonzept vorgelegt hatte. Dabei ist es sicherlich hilfreich, wenn dieses Konzept schlüssig war, wenn also die Höhe sämtlicher Zahlungen mit der Höhe der verfügbaren Liquidität übereinstimmte und die Verbindlichkeiten anschließend mit einer roten Null ausgewiesen werden. Ob die dahinter stehenden Erhebungen korrekt und vollständig waren, muss der Gläubiger nicht nachprüfen (offensichtliche Fehler vorbehalten). Der angreifende Insolvenzverwalter mag sodann im Wege der sekundären Darlegungs- und Beweislast darlegen und beweisen, dass sie tatsächlich falsch bzw. unvollständig waren, und der Gläubiger das auch wußte. Bei Ersterem hilft ihm sicherlich der Umstand, dass das Konzept nicht aufgegangen war, denn sonst wäre er nicht bestellt worden. Wenn die Fehler aber für den Gläubiger nicht offensichtlich waren, wird man sicher davon ausgehen müssen, dass der Gläubiger bei Entgegennahme der Zahlungen – zumindest bis zu einem bestimmten Zeitpunkt – wegen des Benachteiligungsvorsatzes des Schuldner-GF gutgläubig war.

 

Sonstige Verteidigungsmöglichkeiten

Selbstverständlich haben Gläubiger auch außerhalb eines Sanierungskonzepts geeignete Verteidigungsmöglichkeiten gegen die Anfechtung. Der verteidigende Anwalt hat dabei vornehmlich die Aufgabe, die Beweiskraft von Indizien, die für eine Kenntnis sprechen, im Prozess durch Gegenindizien zu entkräften. Die (entlastenden) Gegenindizien sollten die Beweiskraft von (belastenden) Indizien so stark abschwächen, dass die volle Beweislast des Insolvenzverwalters wieder auflebt. Dieser  muss dann mit den 3 einzig zulässigen Beweismitteln (Zeugen, Urkunden, Sachverständigengutachten) den Vollbeweis antreten, dass der Gläubiger positive Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldner-GF hatte. Im Idealfall kommt es zu einer Beweisnot des Verwalters („non-liquet“) und aufgrund dessen zu einer Klageabweisung.

Die Kanzlei BRENNER hat im Laufe der Jahre in Zusammenarbeit mit ihren Mandanten eine Reihe von entlastenden Gegen-Indizien erarbeitet, die im Einzelfall gegen eine Kenntnis der Gläubiger sprachen. Sie sind derzeit Gegenstand der Rechtsprechung.

 

Wann ist ein Bargeschäft trotz Kenntnis von Zahlungsunfähigkeit unanfechtbar?

Nichts ist sicher im Insolvenzanfechtungsrecht, nicht einmal das Bargeschäft! Was der vorläufige Insolvenzverwalter darf, nämlich Einkäufe tätigen um den Betrieb einstweilen fortzuführen, darf der Schuldner noch lange nicht. Und büßen muss es der Lieferant, der am Ende kostenlos geliefert haben wird, ohne es zu wissen. Zwar entfällt beim Bargeschäft schon per definitionem die gläubigerbenachteiligende Wirkung (die ein zwingendes Tatbestandsmerkmal jeder Anfechtung ist und vom Insolvenzverwalter zu beweisen ist); denn ein Bargeschäft liegt erst dann vor, wenn eine wertausgleichende Zahlung für eine gleichwertige Lieferung geleistet wurde, und zwar zeitnah, also innerhalb des vereinbarten Zahlungsziels.

Trotzdem wurden auch Bargeschäfte regelmäßig angegriffen, und mit Erfolg: Der BGH hat den Regelsatz aufgestellt, dass die Gläubiger auch dann – mittelbar – benachteiligt werden, wenn der Wertausgleich der konkreten Transaktion zwar positiv ist, das Unternehmen aber nicht kostendeckend arbeitet und daher weitere Verluste macht (sog. „mittelbare“ Benachteiligung).

Das mag der Schuldner vielleicht wissen – und entsprechenden Gläubigerbenachteiligungsvorsatz haben -, aber was hat der Lieferant damit zu tun, der die finanziellen Verhältnisse und vor allem die Kalkulationsgrundlage seines Kunden in der Regel gar nicht kennt?

Ganz einfach: Der Lieferant muss ja nur die „drohende“ Zahlungsunfähigkeit kennen. Alles andere ergibt sich nach Auffassung des BGH von allein, denn die drohende Zahlungsunfähigkeit indiziert die gläubigerschädigende Wirkung der Zahlung, und auf den unmittelbaren Wertausgleich, also den bilanziellen „Aktiva-Tausch“ kommt es im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO ja nicht mehr an, der wurde ja bereits bei der Prüfung des Bargeschäfts geprüft und positiv beantwortet.

Jetzt hat der BGH hierzu eine Korrektur vorgenommen (Vorsicht: die Richter des BGH sprechen nie von „Korrektur“, immer nur von „Klarstellung“):

Ein Getränkehändler musste im März 2012 Insolvenz anmelden. Nach etlichen Rücklastschriften hatte der Lieferant ihn schließlich nur noch gegen Vorkasse beliefert und der Schuldner zahlte die Lieferungen – abweichend von der üblichen Abbuchung – bar. Der BGH hat bestätigt, dass der Lieferant ausreichende Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit hatte. Allerdings – so die Richter – musste sich ihm nicht unbedingt die mittelbare Benachteiligung durch die unrentable Fortführung des Unternehmens aufdrängen:

Während beim Schuldner das Bewusstsein vermutet wird:

„Auch im Falle eines bargeschäftsähnlichen Leistungsaustausches wird sich der Schuldner der eintretenden mittelbaren Gläubigerbenachteiligung allerdings dann bewusst werden, wenn er weiß, dass er trotz Belieferung zu marktgerechten Preisen fortlaufend unrentabel arbeitet und deshalb bei der Fortführung seines Geschäfts mittels der durch bargeschäftsähnliche Handlungen erworbenen Gegenstände weitere Verluste anhäuft, die die Befriedigungsaussichten der Gläubiger weiter mindern, ohne dass auf längere Sicht Aussicht auf Ausgleich besteht.“

muss der angreifende Verwalter dieses Bewusstsein beim Lieferanten vollumfänglich beweisen:

„Dem Gläubiger kann in diesem Fall wegen des gleichwertigen Leistungsaustauschs wie dem Schuldner trotz Kenntnis von dessen Zahlungsunfähigkeit die gläubigerbenachteiligende Wirkung der an ihn bewirkten Leistung nicht bewusst geworden sein. Die gesetzliche Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO greift dann nicht ein. Der zweite Teil des Vermutungstatbestandes ist nicht erfüllt. Anders liegt es nur, wenn der Anfechtungsgegner weiß, dass der Schuldner unrentabel arbeitet und bei der Fortführung seines Geschäfts weitere Verluste erwirtschaftet. Dann weiß er auch, dass der bargeschäftsähnliche Leistungsaustausch den übrigen Gläubigern des Schuldners nicht nutzt, sondern infolge der an den Anfechtungsgegner fließenden Zahlungen Nachteile bringt.“

„Die Voraussetzungen der Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung hat der Insolvenzverwalter darzulegen und zu beweisen. Im Falle der Vorsatzanfechtung nach §133 Abs. 1 InsO gehört hierzu die Kenntnis des anderen Teils vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners. Beruft sich der Insolvenzverwalter auf die Vermutungswirkung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO und steht, wie hier, ein bargeschäftsähnlicher Leistungsaustausch fest, ist die von der erkannten drohenden Zahlungsunfähigkeit ausgehende Indizwirkung für die Kenntnis von einer Gläubigerbenachteiligung nicht gegeben. Es obliegt dann dem Verwalter, darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass der Anfechtungsgegner von der Unwirtschaftlichkeit der Geschäftsfortführung des Schuldners wusste und deshalb nicht annehmen durfte, der Leistungsaustausch werde der Gläubigergesamtheit nutzen.“

„Wer’s nicht glaubt – Fußnote“:

BGH, Urt. v. 04-05-2017, IX_ZR_285/16 (Getränkehändler-Fall)

BGH ändert Rechtsprechung zur Anfechtbarkeit von Ratenzahlungen… nicht!

Der BGH hat in einem am 16.4.2015 abgefassten Urteil den Standpunkt vertreten, das Ratenzahlungen, die innerhalb der geschäftlichen Gepflogenheiten vereinbart werden, nicht anfechtbar seien. Das wording entnimmt er dem Referentenentwurf des BMJV zur Anfechtungsreform und behauptet, das entspreche auch der ständigen Rechtsprechung. Kein Wort wahr:

In dem entschiedenen Fall hatte

– der Schuldner nach Aktenlage keine Aussage gemacht wie z.B., er könne jetzt nicht zahlen,

und

– der Gläubiger hatte noch keine Schritte zur Durchsetzung unternommen.

Ob die Ratenzahlung dann den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs entspricht oder nicht, davon ist in dem Urteil nicht die Rede.

Offenbar schminkt der IX. Zivilsenat sich seine frühere Rechtsprechung schön. Gleichzeitig wissen wir jetzt auch, wie der Senat die neue Anfechtungsreform umsetzen wird: Nur solche Ratenzahlungen werden als „Gepflogenheit im Geschäftsverkehr“ angesehen werden, die

– ohne Hinweis auf ein Nicht-Zahlen-Können und

– ohne vorangegangene Mahnung, ZV etc.

– schlicht geduldet werden.

Das war in der Tat schon ständige Rechtsprechung!

Hier ist der Link:

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=e37f6d2efe910ed46374394147608288&nr=70887&pos=0&anz=1

BMJV legt Entwurf zur Reform des Anfechtungsrechts vor

Der Justizminister hat am 16.3.2015 einen Gesetzentwurf zur Reform des  Anfechtungsrechts vorgelegt. Der KSi wird den Entwurf kommentieren. Hier sind die wesentlichen Inhalte:

  • 131 InsO -Inkongruenzanfechtung

Zahlungen sind künftig nicht mehr nur deshalb nach § 131 InsO anfechtbar,  weil sie im Wege einer Zwangsvollstreckung erfolgt waren.

(Anm.: dadurch wird eine jahrzehntelange, systemwidrige Rechtsprechung des BGH endlich abgeschafft! Mir wäre es wegen der übrigen Rechtsfolgen aber  lieber, der Gesetzgeber würde sie als kongruente Zahlungen einstufen)

  • 133 Abs.1 InsO – Vorsatzanfechtung

1. Kongruente Leistungen sind künftig nur noch dann nach § 133 InsO anfechtbar, wenn die Gläubiger dadurch „unangemessen“ benachteiligt werden. Das ist nicht der Fall, wenn die Gegenleistung des Gläubigers, also die Lieferung,

– zur Fortführung des Unternehmens erforderlich war, oder
– Bestandteil eines ernsthaften Sanierungsversuchs war.

[Anm.: Den Negativ-Beweis muss – jedenfalls nach der Begründung –  zum Glück der Insolvenzverwalter führen!]

2. Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarungen mit dem Gerichtsvollzieher und mit dem Gläubiger sind künftig keine Indizien mehr für eine Kenntnis des Gläubigers von der (drohenden bzw. bereits eingetretenen) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners. Für Ratenzahlungsbitten des Schuldners gilt das jedenfalls dann, sofern dieser „im Rahmen der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs“ darum nachgesucht hatte.

(Anm.:  es ist offen geblieben, wer den Beweis führen muss! Folglich ist es der Gläubiger! )

3. Bei kongruenter Deckung wird die Anfechtung auf 4 Jahre zurückliegende Rechtsgeschäfte beschränkt

(Anm.: es hilft aber nicht viel, da 98 % der Rechtshandlungen in diesen Zeitraum fallen werden)

  • 142 – Bargeschäft / Privileg für Arbeitsentgelt

verspätet gezahltes Arbeitsentgelt hat Bargeschäftscharakter; Grenze: bis zu 3 Monaten!
Alle anderen Zahlungen: Pünktlichkeit oder Verspätung bestimmt sich „nach den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs“

(Anm.: Beweislast hat der Gläubiger!)

  • 143 – Zinsen

Zinsen werden künftig erst dann geschuldet, wenn der IV den Gläubiger in Anspruch genommen und in Verzug gesetzt hat, anderenfalls  ab Zustellung der  Anfechtungsklage und nicht –  wie derzeit noch – an die Eröffnung des Insolvenzverfahrens!

(Anm.: Na ENDLICH!! Gilt jetzt aber auch für die strafbaren Vermögensverschiebungen :-))